Antrag K1 zur Landeskonferenz der Jusos NRW am 21. März 2009 in Kamen
Neue Wege in der Kommunalpolitik
Antragsteller: Unterbezirk Wuppertal, Kreisverband Mettmann
Demographischen Wandel gestalten
Unsere Gesellschaft wird älter. Seniorenfreundlichkeit ist aber ein wichtiger Gradmesser für Lebensqualität in den Städten. Auf kommunaler Ebene ist diese Feststellung vielerorts noch nicht im politischen Handeln angelangt. Oftmals wird versucht, durch Flächenversiegelung und Ausweisung von Bauland junge Familien anzulocken und so die eigene Bevölkerungsstruktur, manchmal auch zu Lasten der Nachbargemeinde oder anderer Regionen, zu verbessern. Familien werden mit den Herausforderungen des Alters von Familienmitgliedern oftmals alleingelassen und finden nicht immer einen kommunalen Ansprechpartner. Für uns Jusos sieht so keine nachhaltige Gesellschaftspolitik aus.Die Bedürfnisse älterer Menschen müssen zukünftig mehr als bisher in den Vordergrund treten. Die Sicherung ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist eine der wichtigsten kommunalpolitischen Aufgaben der Zukunft: Diesen Aufgaben werden sich viele Städte in Nordrhein-Westfalen stellen müssen. Gerade die Stadtplanung muss dabei konzeptionell mit den Betroffenen im Dialog vorbereitet und begleitet werden. Alleine deshalb fordern wir Jusos die Fortsetzung, Weiterführung und Verstetigung der Projekte „Stadtumbau West“ und „Soziale Stadt“. Ziel muss es sein, eine Verbesserung der Angebote und der Beratung für ältere Menschen in allen Lebenslagen zu leisten.
Zwang zur Privatisierung stoppen – Gemeindefinanzierung sichern
Fünfzig Prozent aller kommunalen Kreditverbindlichkeiten in Deutschland bestehen in nordrhein-westfälischen Kommunen. Der Vergeblichkeitsfalle in welche die meisten Kommunen aufgrund der Durchbrechung des Konnexitätsprinzips geraten sind, können diese Städte und Gemeinden nicht entkommen. Selbst wenn alle freiwilligen Leistungen im Bereich der Kultur, des Sports und der Sozialleistungen eingespart würden, verbliebe in den Großstädten an Rhein, Wupper und Ruhr ein Defizit. Diese Verschuldung basiert zum großen Teil auf Aufgaben, die von Bund und Land auf die Kommunen übertragen wurden, ohne die entsprechende Finanzierung sicherzustellen. Wir Jusos fordern daher die Gründung eines Fonds zum Abbau der Altschulden. Dieser Fond muss gemeinschaftlich und solidarisch von Bund, Land und den Kommunen getragen werden. Wir Jusos fordern daher die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Für Aufgaben des Bundes oder des Landes müssen Bund und Land auch finanziell einstehen. Wir Jusos fordern darüber hinaus eine Neuausrichtung der Strukturförderung orientiert an den tatsächlichen Anforderungen der Regionen und Kommunen. Die Frage der Generationengerechtigkeit darf in keinem Fall dahingehend beantwortet werden, dass nachfolgende Generationen dauerhaft dafür streiten müssen, dass ihre Städte und Gemeinden lebenswert bleiben. Wir tragen Verantwortung für die Menschen in unserem Land. Wir wehren uns daher gegen Entwicklungen, die die kommunale Selbstverwaltung grundsätzlich in Frage stellt. Die positive Gestaltung des unmittelbaren Lebensraumes ist und bleibt seit jeher eines der wichtigsten politischen Ziele.
Wir Jusos fordern daher eine Gemeindefinanzreform, welche die kommunale Selbstverwaltung nicht zur bloßen Worthülse verkommen lässt. Bund und Land müssen die Ausgaben für Leistungen tragen, die sie auch zu verantworten haben. Dazu zählen nicht nur die sozialen Transferleistungen im Bereich des SGB II und SGB III, wie etwa die Kosten der Unterkunft oder die Verteilung der Landesersparnisse bei den Wohngeldausgaben. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen auf dem Arbeitsmarkt müssen ebenso im Vordergrund stehen. Wir Jusos fordern daher eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gesetzliche Grundlage für die ARGE’n in den Kommunen mit entscheidenden Einflussmöglichkeiten seitens der Städte und Gemeinden.
Viele Kommunen werden durch ihre unzureichende finanzielle Ausstattung in die Privatisierung getrieben. Privatisierungen lösen aber keine strukturellen Probleme, sondern schaffen neue, wenn die Gewinne erst durch die laufenden Kosten aufgebraucht sind. Schon aus demokratietheoretischen Gründen, wollen wir es daher nicht dulden, dass Privatisierungen durch übergeordnete Behörden angeordnet werden. Der kommunale Querverbund ist ein offenes Bekenntnis für die Verantwortung, die Kommunen im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge für die Menschen haben. Eine Privatisierung, stellt nicht nur diese Verpflichtung in Frage, sondern beraubt die Kommunen gar ihrer eigenen Legitimation. Wir Jusos fordern daher, dass Europa-, Bundes- und Landesgesetzgebung die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für freie Entscheidungen der Kommunen schaffen müssen.
In Nordrhein-Westfalen müssen die Rahmenbedingungen für eine moderne, technologie- und innovationsorientierte Wirtschaftsstruktur entwickelt werden. Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, die Perspektiven und Chancen der Kommunen zu nutzen und zu entwickeln. Nur so können wir der wirtschaftlichen Entwicklung vieler Städte eine positive Richtung geben. Für Wettbewerb und Innovationen, eine umfassende Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land und die Förderung der regionalen Wirtschaft sind öffentliche Unternehmen aus strategischen Gründen unverzichtbar.
Den Klimawandel vor Ort bekämpfen – mit öffentlichen Unternehmen
Kommunen und ihre Beteiligungsunternehmen müssen Träger des Umbaus der Energiewirtschaft hin zu einer dezentralen Energieversorgung sein und sich so auch nachhaltig für den Wettbewerb der kommenden Jahrzehnte positionieren. In vielen Städten haben Stadtwerke schon auf Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärmenetze zur effektiven Energienutzung umgestellt. Diese Entwicklung zu verstetigen und die Nutzung regenerativer Energien weiter voranzubringen muss oberstes Ziel einer klimaschutzmotivierten Stadtentwicklung bleiben. Dabei sollen gerade die Vorteile geo- und solarthermischer sowie fotovoltaischer Anlagen auch für Privathaushalte erschlossen und bürokratische Hemmnisse beseitigt werden. Energetische Gebäudesanierung von Liegenschaften der öffentlichen Hand müssen konsequent weiter betrieben werden. An dieser Stelle sehen wir Land und Bund in der Pflicht, die Einsparpotentiale, die energetische Gebäudesanierungen mit sich bringen, auch für Kommunen mit ungenehmigten Haushalten zu ermöglichen.
Wir Jusos verstehen die Aufgaben der Kommune als Pflicht, eine deutliche Stabilisierung der Preise für die Menschen zu erreichen, Arbeitsplätze vor Ort unabhängig von ferngesteuerten Monopolen zu halten, auskömmliche Löhne durch kommunale Tarifbindung zu sichern und Versorgungssicherheit herzustellen. Wir verfolgen dabei eine integrierte Strategie, die die Ressourcen der Städte in Wissenschaft und Wirtschaft in Einklang bringt. Damit erweitern wir die Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge um eine Dimension, ohne von der sozialen Verantwortung abzulenken.
Chancengleichheit verwirklichen – Gute Bildung ermöglichen
Qualität und Umfang des Ganztagsunterrichts im Bereich der frühkindlichen Bildung und der Schulbildung hängen unmittelbar von der Finanzausstattung der Kommune ab. Finanziell starke Kommunen können hier, bei entsprechendem politischen Willen, umfangreiche Angebote machen, während finanzschwache Kommunen, bei denen diese Angebote umso notwendiger sind, diese scheinbare „freiwillige Leistung“ nicht stemmen dürfen. Auch Leistungen wie Schulsozialarbeit müssen vom Land finanziert werden und dürfen nicht den Kommunen überlassen werden. Gerade in ärmeren Kommunen sind derartige Angebote unerlässlich. Eine kostenfreie und qualitativ hochwertige Betreuung des Kindes muss in einem zeitlichen Umfang erfolgen, die es beiden Elternteilen bzw. Alleinerziehenden ermöglicht, eine im Umland gelegene Vollzeitstelle tatsächlich, d.h. einschließlich Fahrzeiten, Ferienzeiträumen etc. wahrnehmen zu können. Die Kosten hierfür hat der Bund bzw. das Land zu tragen.
Mobilität für alle Menschen
Allen Menschen Mobilität zu ermöglichen ist ureigenes Ziel sozialdemokratischer Kommunalpolitik. Hierfür sind ein umfassendes Verkehrs- und Mobilitätskonzept für die Städte, ein leistungsfähiges und baulich intaktes Straßennetz, ein bedarfsgerechtes und qualitätvolles ÖPNV-Angebot ebenso unabdingbar, wie sichere Verkehrswege für Fußgängerinnen und Fußgänger. Gerade die Selbstständigkeit mobilitätsbehinderter Menschen durch den Ausbau behindertengerechter Haltestellen und den Einsatz entsprechender Transportmittel muss landesweit sichergestellt sein.
Innerstädtische Potentiale nutzen – Kulturelle Vielfalt erhalten
In der planvollen Erschließung von innerstädtischen Flächen liegen erhebliche Potentiale für Stadtentwicklungen und begrenzen die Verschwendung von natürlichen Flächen. Der Umnutzung brach liegender oder nicht genutzter Flächen in den Innenstädten für qualitätsvollen Wohnungsbau und weitere Gewerbeansiedlungen muss zur attraktiven Gestaltung der Stadtbilder und optimalen Nutzung der Infrastruktur eine besondere Bedeutung zukommen. Ebenso muss der Erhalt stadtbildprägender und ökologisch wertvoller Grüngürtel und Freiräume sichergestellt werden. Wir Jusos fordern vor Ort die Unterstützung und Förderung von ressourcenschonenden Bauen durch die Kommunen. Bezahlbarer und bedarfsgerechter Wohnraum insbesondere für einkommensschwache Bevölkerungsteile sowie für junge Familien bleibt ein wichtiger Bestandteil sozialer Kommunalpolitik.
Kulturelle Vielfalt ist ein hohes Gut. Kultur und Bildung sind untrennbar miteinander verknüpft. Wir Jusos fordern daher in allen Kommunen den Erhalt und den Ausbau aller Angebote, die Kinder und Jugendliche mit Literatur, Theater, bildender Kunst, Musik, Tanz und den übrigen Künsten vertraut machen.
Kommunalaufsicht auf Augenhöhe
Eine gute Kommunalaufsicht ist wesentlich für eine effiziente Aufgabenerfüllung durch die Kommunen. Dabei sind viele Kommunalaufsichten jedoch an Regelwerke gebunden, die eine sinnvolle Beaufsichtigung nicht ermöglichen. Anstatt Gelder für Prävention verwenden zu dürfen, können viele Kommunen erst reagieren, wenn bereits negative Folgen eingetreten sind. Die Folge ist dann deutlich höheren Kosten.
Öffentliche Daseinsvorsorge als konkretes und gestaltbares Handlungsfeld der von Politik impliziert, dass öffentliches Wirken in einem positiven Lichte steht. Dies bemisst sich daran, ob Politik in der Lage ist, soziale und ökonomische Innovationen anzuschieben und zu unterstützen. Die Verankerung des Selbstverwaltungsrechts der Kommune im Grundgesetz wird jedoch durch die Kommunalaufsicht stetig ausgehöhlt. Ohne demokratische Legitimation wird vielerorts ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der langfristig dazu führen wird, dass ganze Städte veröden. Ohne Beteiligungen an Gesetzgebungsverfahren müssen Kommunen mit ansehen, wie auf Weisung des Innenministeriums Handlungsspielräume begrenzt und Gestaltungsmöglichkeiten ausgelöscht werden. Wir Jusos fordern daher eine Rückbesinnung in Bund und Land auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie. Die Väter des Grundgesetzes haben Kommune als den Ort verstanden, wo unmittelbar Lebensräume gestaltet werden. Verlieren die demokratisch gewählten Vertreter in den Räten und Kreistagen diese Gestaltungsmöglichkeit stellt dies eine Verletzung von Verfassungsrecht dar. Diesen Zustand werden wir Jusos nicht tolerieren und weiterhin für starke Kommunen kämpfen.