40 von 47 Maßnahmen könne die Verwaltung ohne Zustimmung des Rates durchführen. Die politischen Gremien würden nur informiert. So hieß es am Wochenende in der Berichterstattung von Radio Wuppertal auf Grundlage einer Verlautbarung von Oberbürgermeister und Kämmerer. Auch wenn es sich bei den Maßnahmen, die in der Ratssitzung am 15. März 2010 behandelt werden, bis auf eine Ausnahme (m.E.n.) um unkritische Maßnahmen aus dem ursprünglichen Entwurf eines Haushaltssicherungskonzeptes handelt, kann diese Behauptung nicht unkommentiert stehen bleiben. Mich persönlich ärgert diese Darstellung.
Vor der Kommunalwahl hat die Stadt unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters eine aufwändige Erstwählerkampagne durchgeführt und finanziert. Hauptargument: Wählen gehen lohnt sich, denn Mitbestimung und Mitgestaltung sind nur durch Beteiligungen an Wahlen möglich. Selbstverständlich gilt dies nicht nur für Erstwählerinnen und Erstwähler, sondern auch generell. Artikel 20 des Grundgesetzes konstituiert schließlich die Staatsgewalt in den Händen des Volkes.
Den selben Menschen, deren Stimmen vor der Wahl nun so entscheidend gewesen sind, wird nun zu verstehen gegeben, dass ihre Staatsgewalt in elementaren Entscheidungssituationen nicht relevant ist. Man müsse Politik schließlich nicht um Erlaubnis fragen, wenn Maßnahmen des Haushaltssicherungskonzeptes durchgeführt werden sollen. An dieser Stelle wird es interessant. Trifft dies tatsächlich zu? Ich möchte an dieser Stelle einschränken, dass diese Medaille eine theoretische und eine praktische Seite hat.
Theoretisch ist die Behauptung, eine Zustimmung der Politik sei nicht erforderlich, nicht zutreffend. In § 41 Absatz 1 Satz 2 der Gemeindeordnung (GO) heißt es: „Die Entscheidung über folgende Angelegenheiten kann der Rat nicht übertragen:“ und in der Aufzählung unter Buchstabe h): „den Erlass der Haushaltssatzung und des Stellenplans, die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes, und so weiter…“. Auf den ersten Blick kann der Rat also die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes nicht auf Oberbürgermeister und Kämmerer übertragen haben. Würde man fiktiv das Gegenteil unterstellen, hätte der Rat dennoch eine Allzuständigkeit nach § 41 Absatz 1 Satz 1 GO. Er kontrolliert die Verwaltung (§ 55 Abs. 1 GO) und bindet den Oberbürgermeister unmittelbar durch Beschlussfassung (§ 62 Abs. 2 GO). Ungeachtet der Frage, ob der Rat in dieser Frage eine ausschließliche Kompetenz hat, kann er sich zumindest jede Frage durch Beschluss heranziehen und unabhängig von der Verwaltung entscheiden. Bleibt somit zu konstatieren, dass bereits in der Duldung des Verfahrens ein indirekter politischer Beschluss liegen kann. Welchen Schluss auch immer man ziehen mag, ist das theoretische Ergebnis zumindest, dass ausschließlich der Rat der Stadt Wuppertal Herr des Verfahrens ist und nicht Oberbürgermeister und Kämmerer. Angesichts der einleitenden Bemerkungen und dieser Ausgangssituation stellt sich nunmehr die Frage, wie es zu einer solchen Verzerrung kommen kann. Boshaftigkeit oder Täuschung möchte ich ausdrücklich niemandem unterstellen. An dieser Stelle kommt die praktische Seite der Medaille ins Spiel. Ein vom FDP-Innenminister verfasster Erlass schafft eine Rechtslage, die zynischer nicht sein kann.
Sicherlich ist es richtig, in öffentlichen Haushalten konsequent zu sparen. Dies gebietet alleine schon der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeldern. In einen Reifen mit Loch lohnt es sich auch nicht Luft zu pumpen. Von dieser Prämisse ausgehend ist es sicherlich auch richtig strukturelle Defizite in Kommunalhaushalten zu beseitigen, bevor Rettungsversuche unternommen werden. In Wuppertal werden seit mehreren Jahren bereits Haushaltssicherungskonzepte durchgeführt. Die Höhe der (nur von dieser Prämisse ausgehenden) strukturell notwendigen Einsparungen wird in der Kämmerei bei etwa 80 Millionen gesehen. Die Summen aus dem Entwurf des Haushaltssicherungskonzeptes sind demnach keine zufällig gewählten Zahlen.
Dem Erlass folgend müsste der Oberbürgermeister jeden Beschluss des Stadtrates beanstanden. Die Bezirksregierung als Rechtsaufsicht würde im Anschluss den Beschluss im Wege der Ersatzvornahme herbeiführen. An diesem Punkt sind die Bezirksregierungen nur ausführende Behörde auf Weisung des Innenministers. Nicht auf der Ebene der Kommunalaufsicht werden die „Schweinereien“ vollzogen, sondern auf Ebene des Ministers (den man im Übrigen am 9. Mai 2010 abwählen kann).
Damit wird unmittelbar in Verfassungsrechte der Kommunen eingegriffen. Jeder Eingriff in Verfassungsrechte bedarf einer Ermächtigungsgrundlage. Mehrere Gerichtsverfahren und auch die Entwicklungen in Oberhausen haben bereits deutlich gemacht, dass die spezifisch haushaltsbezogenen Aufsichtsmittel sich bestenfalls als organisationstherapeutische Verfahrensvorschläge entpuppen und auch der Erlass des Innenministers keinen Beitrag zur Verbesserung der finanziellen Situation in den Kommunen leistet, sondern mit verfassungsrechtlichen Bedenken behaftet ist. Alleine die Tatsache, dass zukünftig eine Vielzahl an Städten betroffen sein wird, lässt an der Erforderlichkeit und damit Rechtmäßigkeit kommunalaufsichtsrechtlicher Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung zweifeln.
Selbst aus dieser praktischen Sperrwirkung einer Beanstandung durch den Oberbürgermeister ergibt sich aber kein unmittelbarer Einfluss der Verwaltung auf die Beschlussfassung über Maßnahmen eines Haushaltssicherungskonzeptes. Betrachtet man diese Maßnahmen hingegen nicht als Teil des Haushaltssicherungskonzeptes, sondern in der Tat als Geschäft der laufenden Verwaltung ergeben sich Folgefragen. Welchen Grund gibt es, diese Maßnahmen in einem Papier aufzuführen, das Haushaltssicherungskonzept heißt? Warum wurden diese Maßnahmen nicht längst durchgeführt, wenn sie als verhältnismäßig, umsetzbar und realistisch bezeichnet wurden? Dies sind die Fragen die ich stellen würde und immerhin habe ich theoretisch und praktisch einen Anspruch auf Beantwortung.